Forschungsziele / Forschungsaufgaben
Das Entwicklungs- und Begleitforschungsprojekt steht
im Kontext mit dem im Land Bremen mit der neuen
Lehrerprüfungsordnung eingeführten
Halbjahrespraktikum (LPO 1999, §16). Dieses
Praktikum ist nach den Ordnungsmitteln für alle
Studierenden der Lehrämter nach der
Zwischenprüfung vorgeschrieben. Es findet
erstmals in der Zeit von 10/01- 03/02 statt
(erwartete Anzahl von Studierenden ca. 500). Da die
beteiligten Lehrenden und Institutionen (Schulen,
Universität, LIS) damit vor völlig neue
Aufgabe gestellt sind, wurde in einem Jahr vorher
eine Piloterprobung mit interessierten
Studierenden, Lehrenden und Schulen durchgeführt
und evaluiert. Die Ergebnisse dieser Vorerprobung
standen anschließend für die Gestaltung
der Rahmenbedingungen der ersten
Einführungsphase des Halbjahrespraktikums zur
Verfügung. Gleichzeitig sollte auf der
bisherigen Erfahrungsbasis (Pilotversuch) mit den
ersten Regeldurchführungen eine wissenschaftlich
begleitete Evaluation konzipiert werden.
Die Piloterprobung zielt auf die Entwicklung und
Erprobung eines modularen
(integrierten)
Stufenausbildungskonzepts für die
Ausbildung der LehrerInnen (zunächst der
Sekundarstufe I) mit dem Zentrum
Halbjahrespraktikum in der Hauptphase des Studiums.
Im Einzelnen geht es in der Perspektive der Reform
der wissenschaftlichen Lehrerausbildung
insbesondere um
-
die Entwicklung und Erprobungeines
entsprechenden inhaltlichen und organisatorischen
Modells für ein Theorie und Praxis
verbindendes Ausbildungskonzept, das eine
Ausbildung für einen Lernorteverbund mit den
diesen repräsentierenden verschiedenen
Institutionen und Einrichtungen (Universität /
Schule) sicherstellt und entsprechende
(qualitätssichernde)
Rahmenbedingungen für eine
flächendeckende Einführung beschreibt.
Darin eingeschlossen ist auch die inhaltliche
Gestaltung und Evaluation eines entsprechenden
Lehrangebots,
-
die Entwicklung und Erprobung von
hochschuldidaktischen Modellen von auf
Selbststeuerung und zukünftige berufliche
Praxis abhebende wissenschaftlich orientierte
Ausbildungskonzeption,
-
Evaluierung sowohl des studienintegrierten
Ausbildungskonzepts (mit dem
Halbjahrespraktikum als theoretischen und
praxisorientierten Bezugspunkt) als auch des
Organisationskonzeptes (bzw. der
Organisationsalternativen) und insbesondere der
hierfür geltenden Rahmenbedingungen.
Im Einzelnen sind damit folgende erkenntnisleitende
Fragestellungen zentral:
-
Qualifizierung der AusbildungslehrerInnen
(PraxislehrerInnen, MentorInnen);
-
Kooperationserfahrungen und -formen und Modelle der
beteiligten Einrichtungen und Institute;
-
Organisatorische und inhaltliche Rahmenbedingungen
für hochschuldidaktische Innovationen (z.
B. pädagogische Werkstätten,
Traininglabore, u. a.);
-
Profile der Praxiserfahrungen der Studierenden;
-
Praktikumserfahrungen und individuelle
Studienplanung;
-
Personelle und organisatorische Rahmenbedingungen
für eine flächendeckende Einführung
des Halbjahrespraktikums (z. B. auch Belastungen /
Entlastungen der beteiligten Einrichtungen und
Schulen).
Verortung des Projekts in der Forschung und
Entwicklung
Die Professionalisierung der Lehrerarbeit ist in den
letzten Jahren zunehmend Gegenstand
politischer Auseinandersetzungen und Kontroversen
geworden, aber auch wissenschaftlicher Untersuchungen
theoretischer wie empirischer Art. Ein Konsens ist in
dieser Debatte längst nicht abzusehen, wohl aber
eine Übereinstimmung darin, dass ein dringender
Handlungsbedarf für Reformen besteht. Die
Reformbemühungen der 70er Jahre haben zwar
für die gesamte Lehrerbildung den Anschluss
an das Wissenschaftssystem gebracht, aber zugleich
eine zunehmende Entfernung zur
Berufspraxis, insbesondere zur schulischen
Praxis. Eine Reform der Ausbildung muss sich heute
insbesondere der Frage stellen, wie Praxis und
Wissenschaft aufeinander zugeführt werden,
wie wissenschaftliches Wissen bezogen auf
Berufspraxis, nicht zuletzt auch unter den
veränderten Ansprüchen an Schule und
Unterricht, angeeignet und in der Berufsausübung
fortentwickelt werden kann. In einer Reihe von
Bundesländern wurden daher Modelle der
Lehrerbildung diskutiert, die eine zentrale
Praxiseinheit, ein Halbjahrespraktikum als
wichtiges Reformmoment vorsehen, so zum Beispiel
in Nordrhein-Westfalen (1996), Hessen (1997) und
Niedersachsen (1999). Die spezifischen
Durchführungsbedingungen der mit der
verpflichtenden Einführung des
Halbjahrespraktikums in Bremen, dessen
Anforderungen an die Studierenden sowie die
Studienziele sind allerdings bislang völlig
offen.
Das Forschungsprojekt versucht auch
Lösungsansätze zu entwickeln, die die
bisherigen Fächergrenzen der
Ausbildungskonzeptionen partiell überschreiten.
Es ist davon ausgegangen, dass die
Fächeransprüche auf die
pädagogischen und didaktischen Felder in
ihrer Gesamtheit hin zu orientieren sind. Dabei kommt
der erziehungswissenschaftlichen
Grundlegung als gemeinsamem Bezugssystem für
zukünftiges berufliches Handeln eine
zentrale Bedeutung zu. Ziele und Inhalte des
erziehungswissenschaftlichen und
fachdidaktischen Studiums werden zukünftig enger
auf die Berufsprobleme des Arbeitsfeldes
Schule / Unterricht bezogen sein müssen. Eine
Neuorientierung der Lehrerausbildung muss hierzu
einen Beitrag leisten, was mit diesem
Forschungsprojekt in besonderer Weise intendiert ist,
wenn auch Inhalte und erforderliche Formen
noch völlig offen sind.
Forschungsmethoden
Das Forschungsprojekt umfasst in der Phase I
(Pilotphase) die Entwicklung und Erprobung der
Implementation des Halbjahrespraktikums in Studium
und Lehre, während in der Phase II (Regelphase)
insbesondere Evaluationsfragen im Mittelpunkt
stehen und damit auch entsprechende
Forschungsinstrumente und -strategien zur Anwendung
gelangen. In der ersten Phase übernehmen die
Forschenden die Rolle der Prozessbegleitung im Sinne
von Handlungsforschung (einschließlich einer
teilnehmenden Beobachtung), während in der Phase
II ausschließlich Fragen der formativen und
summativen Evaluation im Zentrum stehen. In der
Pilotphase wurden alle Beteiligten während des
gesamten Entwicklungsprozesses immer wieder mit den
empirisch gesicherten Daten konfrontiert und
gemeinsam Veränderungen im Sinne der
Zielerreichung entwickelt.
Das Forschungsprojekte bezieht sich während der
Pilot- als auch für der Hauptphase auf
unterschiedliche Dimensionen:
Örtlich: Universität: Lehre,
Verwaltung; Schule: Unterricht, Schulleben, Stadtteil
der Schule etc.
Personell: Studierende, schulische MentorInnen,
SchulleiterInnen, in der Schulverwaltung
Beschäftigte, HochschullehrerInnen, in der
Hochschulverwaltung Beschäftigten, mit der
Evaluation Beauftragte.
Inhaltlich-konzeptionell:
-
die explizit definierten Inhalte und Methoden der
das HP vorbereitenden und begleitenden
Lehrveranstaltungen,
-
die bei Studierenden, schulischen MentorInnen, und
HochschuldozentInnen vorhandenen Konzepte von
Funktion und Aufgabe des HP, von Kritik am HP, vom
Lernprozess im HP, von der angestrebten
Lehrerrolle, von den SchülerInnen, von
gutem Unterricht etc.,
-
Hoffnungen, Befürchtungen und Wünsche in
Bezug auf das HP bei den Studierenden,
-
Hoffnungen, Befürchtungen und Wünsche in
Bezug auf das HP bei den MentorInnen,
-
die mehr oder weniger explizit formulierten Inhalte
und Methoden der Anleitung der Studierenden
durch die MentorInnen etc.,
-
die konzeptionell-inhaltliche Ausrichtung der
Schule (Schulprofil etc.).
Hierzu wurden und werden bezogen auf die beteiligten
Personengruppen folgende qualitative und quantitative
Untersuchungsverfahren eingesetzt:
Studierende: Fragebogenerhebung, Interviews,
Auswertung der Praktikumsberichte; Schule:
Fragebogenerhebung bei den schulischen MentorInnen,
Interviews der Schulleitungen und der
beteiligten HochschullehrerInnen.
Darüber hinaus wurden ausgewählte
Begleitveranstaltungen (Pilotphase)
dokumentiert, analysiert und in die
Gesamtauswertung mit einbezogen.
Arbeitsplan / Arbeitsschritte
Phase I 1/00 - 7/01 (Pilotphase)
-
Planung des Pilotversuchs, Planung eines
studienintegrierenden
Veranstaltungsverbundes (4
HochschullehrerInnen + 2 WIMI) für 15
Studierende. Gewinnung der Studierendengruppen
(Studienberatung); Erstellung des
Evaluationskonzeptes, Beginn der
Evaluationstätigkeit: Vorerhebungen,
Ausgangszustand, Motivationslagen,
Dokumentationstätigkeiten, Beginn der
Prozessevaluation
- Durchführung und Begleitung einer
modulübergreifenden
Vorbereitungsveranstaltung: Theorie und
Praxis der Schule (Einführung in das
Halbjahrespraktikum 2 SWS) sowie zwei
wählbarer fachdidaktisch und inhaltlich
orientierter Studienmodule
(praktikumsstandortbezogen, Fächerangebot:
Arbeitslehre, Geschichte, Politik, Biologie, Physik,
Chemie, (4 SWS pro Modul) im SS2000.
- Durchführung und Begleitung einer
modulübergreifenden Veranstaltung:
Schulalltag und Berufspraxis in der Reflexion
(Begleitung während des Halbjahrespraktikums)
sowie zwei fachdidaktisch orientierter Studienmodule
(praktikumsstandortbezogen, Fächerangebot:
Arbeitslehre, Geschichte, Politik, Biologie,
Physik, Chemie, (4 SWS pro Modul) im WS 2000/2001
unter Beteiligung der MentorInnen der
Praktikumsschulen.
- Durchführung und Begleitung einer
modulübergreifenden Auswertung des
Halbjahrespraktikums - Kompaktveranstaltung (30
Std.), Studienberatung bzw. Studienplanungen
für das Hauptstudium.
Phase II 8/01 – 10/03
-
Auswertung der Erhebungen der Pilotphase
(Befragungen, Praktikumstagebücher,
u .a), Diskussion der ersten Ergebnisse mit allen
Beteiligten, universitätsinterne
Diskussion.
-
Planung der Evaluation der Hauptphase A/B.
Entwicklung der Instrumente der Datenerhebungen der
Hauptphase, Beginn der Datenerhebungen Hauptphase A
(beginnend bereits 4/01).
-
Erstellen und Veröffentlichen des
Zwischenberichtes (Pilotphase) mit ersten
Empfehlungen zur Weiterentwicklung des
Halbjahrespraktikums und der Sicherung der
Rahmenbedingungen.
-
Datenerhebungen Hauptphase B (beginnende 4/02),
Zwischenbericht über die Hauptphase A,
Auswertung der Ergebnisse der Hauptphase A/B
(Summative Evaluation) und Veröffentlichung
der Ergebnisse vor einem Expertenforum, Austausch
mit Forschergruppen in anderen Bundesländern.
-
Entwicklung von Empfehlungen zur Revision und
Weiterentwicklung des Halbjahrespraktikums für
alle Lehramtsstudiengänge im Land Bremen.
Ergebnisse
Erste Ergebnisse der Pilotphase wurden als
vorläufiger Zwischenbericht in verschiedenen
Universitätsgremien, im Ausbildungsausschuss des
Landes Bremen sowie auf Schulleiterkonferenzen und
MentorInnenkonferenzen sowie überregionalen
Fachtagungen vorgetragen.
Veröffentlichungen
Hoeltje, Bettina / Oberliesen, Rolf / Schwedes,
Hannelore / Ziemer, Thomas (Hrg.):
Evaluation des Halbjahrespraktikums der
Lehrerbildung der Universität Bremen.
Explorative Studie zur Pilotphase - Befunde,
Problemfelder und Empfehlungen. Bremen 2002.
Koopmann, Klaus / Oberliesen, Rolf / Sachse,
Burkhard: Arbeitsorientierte Bildung als Anspruch
einer reformierten LehrerInnenausbildung
Sekundarstufe I: Pilotprojekt
Studienintegriertes Halbjahrspraktikum im Land
Bremen, In: Schudy, J.: (Hrg.) Arbeitslehre 2001,
Bilanzen – Initiativen – Perspektiven,
Baltmannsweiler 2001.
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